Migration ist im Kontext der sozialen Sicherheit sehr breit zu verstehen, weshalb hierunter sowohl dauerhaft ausgewanderte Personen, als auch Pendler in verschiedene Staaten verstanden. Migration umfasst auch jene Personen, die in einem Staat leben, in einem anderen Staat arbeiten und/oder in einem weiteren Staat selbstständig sind. Im Sinne der sozialen Sicherheit spricht man auch bei vorläufig ins Ausland entsendeten Arbeitnehmern von Migranten. Tatsächlich umfasst Migration im weitesten Sinne sämtliche Situationen, in denen eine Person Grenzen überschreitet, und die Unterschiede territorialer Natur und der Sozialversicherungssysteme potenzielle Probleme im Bereich der sozialen Sicherheit hervorrufen können, und zwar nicht nur für den Migranten selber, sondern auch für die nationalen Sozialversicherungssysteme, zwischen denen er pendelt.
Migranten laufen Gefahr, anders behandelt zu werden als Heimische, etwa im Fall, wenn dieser Staat die Zahlung von Leistungen an ausländische Staatsbürger nicht gesetzlich regelt, und das Risiko in Bezug auf die Territorialität sozialer Sicherheit kann mitunter bedeuten, dass dauerhaft angesiedelte Ausländer einen Teil ihrer sozialen Rechte im Heimatstaat verlieren können. Um Hindernisse für die Arbeitnehmerfreizügigkeit abzubauen, wurde ein EU-weites Koordinierungssystem der Sozialversicherungen geschaffen.
Ziel der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme ist die Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Arbeitnehmerwanderung ins Ausland, insbesondere in Bezug auf langfristige Zahlungen wie etwa Rentenbeiträge. Die Koordinierungsbestimmungen verpflichten die Staaten zu keiner wesentlichen Änderung ihrer nationalen Vorschriften über die soziale Sicherheit, sondern beeinflussen lediglich die Behandlung vom Migranten, sodass z.B. die Staaten zur Gleichbehandlung von Migranten und der eigenen Staatsbürger verpflichtet werden.
Die Europäische Union (EU) bietet einheitliche Vorschriften, die dem Schutz der Sozialversicherungsansprüche dienen, wenn sich die Personen innerhalb Europa (EU 27 + Europäischer Wirtschaftraum (EWR)) aufhalten. Die Rechtsvorschriften zur Koordinierung der Sozialversicherung ersetzen einzelstaatliche Systeme nicht durch ein europaweit geltendes System. Jedes Land kann frei entscheiden, wer nach seinen nationalen Rechtsvorschriften versichert werden soll, und welche Leistungen zu welchen Bedingungen gewährt werden.
Für wen gelten diese Vorschriften?
Die vier Grundprinzipien
Dieses Prinzip verhindert Länder daran, ausländische Staatsangehörige anders zu behandeln. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes, in dem sie versichert sind. Dieses Prinzip wird als Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung bezeichnet.
Die aus positivem und negativem Gesetzeskonflikt hervorgehenden Probleme können mit der Angabe umgangen werden, dass die Rechtsvorschriften immer nur eines Landes angewendet werden mit der Schaffung eines Regelwerks zur Festlegung, welche Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Nach der Festlegung der anwendbaren Rechtsvorschriften wird der Migrant gemäß diesen Vorschriften Beiträge zahlen und Leistungen beziehen.
Sie unterliegen den Rechtsvorschriften immer nur eines Landes und zahlen daher auch nur in einem Land Beiträge. Welchen Rechtsvorschriften Sie unterliegen, entscheiden die Sozialversicherungsträger. Hier besteht für Sie keine Wahlmöglichkeit.
Wegen der Gefahr, dass Personen beim Umzug ins Ausland ihre Leistungen aufgrund Versicherungs‑ oder Aufenthaltszeiten im Heimatland verlieren, besagt dieses Prinzip, dass Versicherungs‑ oder Aufenthaltszeiten aus einem Land in einem anderen Land anzuerkennen sind.
Wenn Sie eine Leistung beantragen, werden Ihre früheren Versicherungs‑, bzw. Aufenthaltszeiten in anderen Ländern gegebenenfalls angerechnet.
Wenn Sie in einem Land Anspruch auf Geldleistungen haben, können Sie diese grundsätzlich auch dann erhalten, wenn Sie in einem anderen Land leben. Das Prinzip der Exportierbarkeit von Leistungen besagt, dass der alte Staat weiterhin Geldleistungen zahlt, auch wenn diese Person mit bestehendem Anspruch auf eine von den Koordinierungsregeln umfasste Geldleistung in einem anderen Land ansässig ist. Der Leistungsbetrag darf hierdurch keinerlei Reduzierungen oder Änderungen erleiden.
Welche Vorschriften gelten für mich?
Wenn Sie sich in der EU und im EWR aufhalten, unterliegen Sie immer nur den Rechtsvorschriften eines einzigen Landes. Die Sozialversicherungsträger bestimmen, nach welchem Recht Sie gemäß den europäischen Rechtsvorschriften versichert sind.
Sie arbeiten in einem Land – Grundsätzlich unterliegen Sie den Rechtsvorschriften des Landes, in dem Sie angestellt oder selbstständig sind. Dabei kommt es nicht darauf an, wo Sie wohnen oder wo Ihr Arbeitgeber seinen Geschäftssitz hat.
Sie arbeiten in einem Land und wohnen in einem anderen – Wenn Sie nicht im gleichen EU-Mitgliedstaat wohnen und arbeiten, aber täglich oder mindestens einmal wöchentlich in Ihr Wohnsitzland zurückkehren, sind Sie Grenzgänger. Für Ihre Sozialleistungen ist das Land zuständig, in dem Sie arbeiten. Für Gesundheitsversorgung und Arbeitslosigkeit gelten besondere Vorschriften.
Sie werden in ein anderes Land entsandt – Wenn Sie von Ihrem Arbeitgeber (oder, falls Sie selbstständig sind, von sich aus) für bis zu 24 Monate in ein anderes Land entsandt werden, bleiben Sie in Ihrem Herkunftsland versichert. Dies ist der Fall bei sogenannten „entsandten Arbeitnehmern“, für die besondere Bedingungen gelten.
Sie arbeiten in mehreren Ländern – Wenn Sie einen wesentlichen Teil Ihrer Tätigkeit, mindestens 25 %, in Ihrem Wohnsitzland ausüben, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften Ihres Wohnsitzlandes. Wenn Sie Ihre Tätigkeit nicht zu einem wesentlichen Teil in Ihrem Wohnsitzland ausüben, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften desjenigen Staates, in dem Ihr Arbeitgeber seinen Sitz oder Wohnsitz hat Wenn Sie bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt sind, die ihre Geschäftssitze in verschiedenen Ländern haben, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften Ihres Wohnsitzlandes, auch wenn Sie Ihre Tätigkeit dort nicht zu einem wesentlichen Teil ausüben. Wenn Sie selbstständig erwerbstätig sind und nicht einen wesentlichen Teil Ihrer Tätigkeit in Ihrem Wohnsitzland ausüben, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften desjenigen Staates, in dem sich der Mittelpunkt Ihrer Tätigkeiten befindet. Wenn Sie eine unselbstständige und eine selbstständige Tätigkeit in verschiedenen Ländern ausüben, sind Sie in dem Land versichert, in dem Sie die unselbstständige Tätigkeit ausüben.
Sie arbeiten nicht – Auch, wenn Sie nicht arbeiten, gelten die EU-Rechtsvorschriften für Sie.
EU-Verordnungen über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme
Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern wurde am 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit abgelöst (kurz: Grundverordnung). Gemeinsam mit der Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (kurz: Durchführungsverordnung), und der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnung fallen, sowie alle Verordnungen, durch welche diese aufgeführten Verordnungen geändert oder ergänzt werden stellen derzeit die geltenden EU-Verordnungen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme dar.
Seit dem 1. Juli 2013 bzw. seit dem EU-Beitritt von Kroatien wurden die bis dahin geltenden bilateralen Abkommen mit den EU-Mitgliedsländern durch Rechtsvorschriften über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme (die Verordnungen (EG) 883/2004, (EG) 987/2009, (EG) 988/2009, (EU) 1231/2010, (EG) 1244/2010, (EG) 465/2012) und (EU) 1224/12 ersetzt. Diese bilateralen Abkommen bestanden mit folgenden 16 Ländern: Österreich, Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Ungarn, Niederlande, Deutschland, Polen, Slowenien, der Slowakei, Schweden, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland
Darüber hinaus wenden seit dem 12. April 2014 Norwegen, Island und Liechtenstein als EWR-Mitglieder die EU-Verordnungen über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in ihren Beziehungen zur Republik Kroatien an. Durch diese Verordnungen wurden die Sozialversicherungsabkommen mit Norwegen am 12. April 2014 und jenes mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft am 1. Januar 2017 ersetzt.
Die EU-Koordinierungsverordnungen beeinflussen nicht die nationalen Vorschriften über die soziale Sicherheit, sondern koordinieren diese mit den nationalen Rechtsvorschriften andere Mitgliedsländer. Voraussetzung für die Anwendung dieser Verordnungen ist, dass die Person während ihrer Berufslaufbahn der Gesetzgebung zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten unterlag. Sollte die Person den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterlegen haben, finden nur diese Rechtsvorschriften und nicht die Koordinierungsverordnung Anwendung. Auf diese Weise beeinflussen die EU-Koordinierungsverordnungen nicht die heimischen Leistungen, die lediglich aufgrund kroatischer Rechtsvorschriften gewährt werden.
Geldleistungen, die der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in der Republik Kroatien unterliegen
Rentenversicherung: Altersrente, Ansprüche in Bezug auf Invalidität, körperlicher Schädigung, Hinterbliebenenrente
Krankenversicherung: Gesundheitsversorgung, Anspruch auf Lohnersatzleistungen im Krankheitsfall
Mutterschaftsleistungen: Mutterschaftsgeld, Elterngeld
Arbeitslosenleistungen: Arbeitslosengeldanspruch
Familienleistungen: Kindergeld
Anwendbare Rechtsvorschriften: Entsendung, Arbeit in 2 oder mehreren EU-Ländern
Verletzungen – kurzfristige Leistungen: Gesundheitsfürsorge, Anspruch auf Lohnersatzleistungen
Die Besonderheit des kroatischen Sozialversicherungssystems besteht darin, dass es kein einheitliches System für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten gibt, das kurz- und langfristige Leistungen auf dieser Grundlage beinhaltet. Kurzfristige Leistungen (Lohnersatzleistungen und Gesundheitsversorgung zu besseren Konditionen) werden so im Rahmen der Krankenversicherung und langfristige Leistungen im Rahmen der Rentenversicherung (Invaliditätsrente, Familienrente unter günstigeren Bedingungen und Beihilfe bei körperliche Schädigungen) erbracht.
Zuständige Einrichtungen
Mit dem im Amtsblatt «Narodnim novinama», am 7. Mai 2013 unter der Nr. 54/13 veröffentlichtem Gesetz über die Durchführung der Verordnung der Europäischen Union zur Koordinierung von Systemen der sozialen Sicherheit wurde eine institutionelle Struktur für die Umsetzung der Verordnung der Europäischen Union zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme geschaffen, die zuständigen Behörden für sämtliche, den Koordinierungsverordnungen unterliegende Bereiche der sozialen Sicherheit, sowie die zuständigen Verbindungsstellen und -behörden festgelegt und die Zuständigkeit des Steueramtes im Falle einer Beitragsrückgabe für Pflichtversicherungen kundgetan.
Zumal sich die Verordnungen auch auf Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie Familienleistungen beziehen, sind die für diese Bereiche in der nationalen Gesetzgebung zuständigen Behörden auch für die EU-Verordnungen zur Koordinierung von Sozialversicherungssystemen zuständig.
Das Ministerium für Arbeit, Rentenwesen, Familie und Sozialpolitik ist für die Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie für die Festlegung der in bestimmten Situationen anwendbaren Rechtsvorschriften zuständig und hält die Rolle des Koordinators für die gesamte Koordinierung der Sozialversicherungssysteme inne.
Das Gesundheitsministerium ist für die gesetzliche Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung zuständig
Das Ministerium für Demografie und Einwanderung ist für Familienleistungen, Mutterschafts- und entsprechende Vaterschaftsleistungen zuständig
Die zuständigen Institutionen für die Umsetzung der EU-Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sind:
Die kroatische Rentenversicherungsanstalt ist der zuständige Träger für Leistungen im Alter, bei Invalidität, für Hinterbliebene, sowie für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten aus der Rentenversicherung auf Grundlage der Generationensolidarität, sowie für Familienleistungen (Kindergeld) und die Festlegung der anwendbaren Rchtsvorschriften bei durch mehr als einen EU-Staat ziehende Personen.
Die kroatische Krankenversicherungsanstalt ist der zuständige Träger für Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankheitsfall, Mutterschafts- und entsprechende Vaterschaftsleistungen, sowie für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Das kroatische Arbeitsamt ist für Arbeitslosenleistungen zuständig
Das zentrale Versichertenregister (REGOS) ist die zuständige Behörde und Verbindungsstelle für Leistungen im Alter, bei Invalidität und für Hinterbliebene im Rahmen der Rentenversicherung auf Grundlage individueller Vermögensbildung, und gleichzeitig die Anlaufstelle für den elektronischen Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedsstaaten im Sozialversicherungssystem (EU Access Point)
Das Finanzministerium – Steueramt ist die für Beiträge aus Pflichtversicherungen im Rahmen der Koordinierung von Sozialversicherungssystemen verantwortliche Behörde
Drittstaaten
Die EU-Koordinierungsverordnungen werden auch außerhalb der EU-Mitgliedsstaaten (sog. Drittstaaten) angewendet, vorausgesetzt, dass sich der Versicherte in zwei oder mehreren EU-Staaten ausreichend lange aufgehalten hat. Obwohl hier keine Versicherungszeiträume außerhalb der EU angerechnet werden, wird die Rente im Drittstaat ausgezahlt. Sollte der Versicherte die gem. EU-Verordnungen bestehende Bedingung hinsichtlich der Länge des für den Anspruchserhalt erforderlichen Zeitraums nicht erfüllen, wird das mit dem Drittstaat abgeschlossene (sofern bestehend) Sozialversicherungsabkommen angewendet. Hierbei werden abgeschlossene Zeiträume im Drittstaat angerechnet, sofern dies im bilateralen Abkommen vorgesehen ist. Sollte der Angehörige eines Mitgliedsstaats die zum Anspruch berechtigenden Zeiträume in einem Drittstaat abgeschlossen und diese zwei Staaten ein lediglich auf sie anwendbares Sozialversicherungsabkommen unterzeichnet haben, ist zwecks Durchführung dieses Abkommens die Staatsangehörigkeit aller anderen EU-Mitgliedsstaaten der Staatsangehörigkeit jenes Mitgliedsstaates gleichzusetzen, der dieses Abkommen mit dem Drittstaat abgeschlossen hat.
Bilaterale Sozialversicherungsabkommen
Sozialversicherungsabkommen schützen die Rechte der im Ausland beschäftigten oder ansässigen kroatischen Staatsangehörigen sowie deren Familienangehörigen, sodass sie aufgrund dieser Abkommen ihre Rechte aus Arbeit, bzw. der Versicherung im Ausland und somit auch ihre Rechte auf entsprechende soziale Sicherung ausüben können. Sie sind gemäß der kroatischen Verfassung Teil der inneren Rechtsordnung und gemäß der Rechtskraft über dem Gesetz (lex specialis), so dass sie Vorrang vor den nationalen Rechtsvorschriften haben.
Die Republik Kroatien hat Sozialversicherungsabkommen mit folgenden Staaten abgeschlossen: Albanien, Australien, Bosnien und Hercegova, Montenegro, Kanada, kanadische Provinz Quebec, Mazedonien, Serbien (FR Jugoslawien), Türkei, die Republik Korea.